Was möchten Sie damit erreichen? Soll er:

  • ruhiger werden?
  • weniger aggressiv werden?
  • nicht mehr weglaufen, wenn es läufige Hündinnen in der Nachbarschaft gibt?
  • nicht mehr „liebeskrank“ sein?
  • keine Eitertropfen mehr in Ihrer Wohnung verlieren?
  • keine Prostataprobleme bekommen?
  • keinen Hodenkrebs?

Einiges davon wird sich nach einer Kastration wahrscheinlich ändern, Einiges aber auch allein durch die Kastration nicht!
Das Verhalten eines Hundes wird weniger von den Hormonen beeinflusst, als wir uns das als Menschen so vorstellen. Viele Reaktionen, die wir, gerade bei Rüden, sehen, sind einfach Ergebnis der Erziehung und der Stellung in Ihrem Familienrudel. Er wird bestimmte Verhaltensweisen also zeigen, egal, ob er kastriert ist, oder nicht.
Ein Beispiel: Ihr Hund hat sich angewöhnt, immer, wenn er an der Leine geführt wird, andere Rüden anzubellen. Tut er das, weil seine Hormone sprießen? Leider nein! Er reagiert einfach so, wie Sie es ihm unwissentlich beigebracht haben.
Was tun nämlich Sie? Sie rufen „Aus“ oder „Ruhig“ oder Sie schimpfen. Oder Sie sprechen mit Ihm und sagen z.B. „keine Angst, der tut dir doch nichts, ist doch gut“. Denken Sie!!!
Ihr Hund sieht das nämlich ganz anders: Er versteht ja nicht den Wortlaut, aber er weiß aus Instinkt, dass der/die Rudelchef(in) (nämlich Sie) dem rangniederen Rudelmitglied (nämlich ihm) nur dann Aufmerksamkeit schenkt, wenn das rangniedere Rudelmitglied (Ihr Hund) etwas RICHTIG macht.

Und das heißt, dass er denkt, dass er gerade genau in Ihrem Sinne, nämlich ganz prima richtig gehandelt hat. Sie haben ihn gerade schließlich nach Hundeart gelobt! Was tut er also? Er will ja gelobt werden, durch Ihre Aufmerksamkeit belohnt, also wird er beim nächsten Mal noch ein bisschen früher bellen, damit Sie noch länger mit Ihm reden.
Mit den Hormonen allerdings hat dies nichts, aber auch gar nichts, zu tun!
Und deshalb wird eine Kastration an diesem Verhalten nichts ändern.
(Nur Sie müssten mal was ändern 🙂 , oder?) In den meisten Fällen verhält es sich ebenso mit Hunden, die Menschen oder anderen Hunden gegenüber aggressiv reagieren. Überlegen Sie in einer solchen Situation mal genau, ob sie ihn nicht gerade in seinem Verhalten bestärkt haben. Und ob Sie nicht besser die Hilfe einer/s erfahrenen Tierarztes/ärztin suchen, die die fachliche Zusatzbezeichnung „Verhaltenstherapie“ führt. Aber wird er denn durch eine Kastration nicht ruhiger? Hunde haben, genau wie Menschen, ein unterschiedliches Temperament. Und, je nach Rasse oder Mischung haben sie einen ausgeprägten Bewegungs- und Spieldrang. Deshalb ist es ja z.B. auch so wichtig, dass Sie, egal welchen Hund Sie haben, jeden Tag mit ihm mindestens zwei Mal mindestens 1 Stunde lang draußen spazieren gehen und toben. Und mit ihm spielen, ihm Gehorsamkeiten abfordern, ihn „Hund“ sein lassen. Und lassen Sie keine Langeweile aufkommen. Denn so wird Ihr Hund ausgeglichen, er erkennt Sie als Rudelchef(in) an und legt sich, wenn Sie es richtig anstellen, entspannt auf seinen Schlafplatz.
Und er wird „ruhiger“, ganz ohne Kastration.

Bitte verwechseln Sie aber „ruhiger“ nicht mit „träger“!
Das ist nämlich die schlechte Eigenschaft, die kastrierte Rüden tatsächlich oft entwickeln. Nur kommt die nicht eigentlich vom Kastrieren, sondern – vom Fressen! Nach einer Kastration wird das Futter besser im Körper verwertet, deshalb soll man ja auch unbedingt auf kalorienarme Nahrung umstellen . Die gibt dem Hund, anders als es eine kleinere Menge des gewohnten, vorherigen Futters tun würde, weiterhin die richtige Menge Vitamine und Mineralien, die er täglich braucht. Und sie macht, weil sie mehr Ballaststoffe enthält, satt, aber nicht so dick. Jedes Kilo zuviel auf den Rippen bedeutet nämlich mehr Mühe beim Sich-Bewegen. Und ein zu fetter Hund wird eben durch sein Übergewicht „ruhiger“. In meiner Klientel gibt es übrigens eine ganz Menge sehr schlanke, sehr aktive, sehr gut sozialisierte (das ist der Fachausdruck für „gut erzogene“), sehr ausgelastete und deshalb sehr ausgeglichen ruhige, kastrierte und unkastrierte Rüden. Wenn Sie also einen Hund möchten, der „ruhiger“ ist, sollten Sie sein (und Ihr 🙂 ) tägliches Trainingsprogramm neu gestalten. Eine Kastration wird Sie hier keinen Schritt weiter bringen. Wenn Sie einfach einen trägen, fetten, und deshalb ruhigeren Hund haben möchten, können Sie sich den Aufwand mit der Operation sparen, man kann Hunde auch ohne Kastration ziemlich einfach überfüttern …

Wann für Rüden Kastration wirklich sinnvoll ist

Die Operation ist dann von Nutzen, wenn sie einen medizinisch nachweisbaren, körperlichen Gewinn für Ihren Rüden bringt. Wenn er also dazu neigt, ständig eine eitrige Vorhaut – Entzündung zu haben, die er durch das ständige Belecken auch noch selbst in Gang hält, ist dies ein guter Grund, ihn zu kastrieren. Sollte es in Ihrer Nachbarschaft viele Hündinnen geben, deren Besitzer sie regelmäßig läufig werden lassen, ist dies für manche Rüden ein massiver Stress. Sie fressen schlecht, ihr Immunsystem leidet und sie sind nicht ansprechbar. Auch dann schafft eine Kastration wahrscheinlich Abhilfe. Außerdem bewahrt Sie die Operation vor eventuellen Regressforderungen der Hündinnenbesitzer. Und sie schützt ihren Rüden vor Autounfällen, die immer dann geschehen, wenn er, da sich seine Hormone melden, schnurstracks über die vielbefahrene Straße läuft.

Unbedingt geraten ist die Operation, wenn Ihr Rüde in höherem Alter wiederkehrend Probleme mit der Prostata oder mit dem Enddarm bekommt. Die Kastration ist hier der wichtigste Teil der Therapie. Sollte sich gar ein Hoden verändert haben, oder sollte einer in der Bauchhöhle verblieben sein, besteht die Möglichkeit, dass Ihr Hund Hodenkrebs entwickelt. Auch dies ist eine Indikation für eine sofortige Kastration des Rüden – denn sie rettet meist sein Leben! Es ist übrigens nicht sinnvoll, einen Rüden zu „sterilisieren“ (also nur die Samenleiter zu unterbinden), denn dann würden ja beide Hoden im Körper verbleiben und weiter Hormone produzieren.

Was wird da eigentlich operiert?

Bei einer Kastration wird Ihr Rüde in eine kurze Vollnarkose versetzt, dann werden beide Hoden entfernt. Der Penis und meist auch der Hodensack bleiben an Ort und Stelle. Durch die heutigen, schonenden Narkoseverfahren ergibt sich, auch bei älteren Rüden, kein besonders hohes Risiko, zumal die Operationsdauer relativ kurz ist. Die Operationsnarben sind meistens sehr klein, und wenn Sie Ihren Hund daran hindern, sie zu belecken, heilen die Wunden nach ein paar Tagen ab.

Fazit

Eine Kastration verhindert nicht, dass Ihr Rüde aggressiv ist, oder dass er andere Hund oder Menschen anbellt, hierzu müssen Sie Ihr, und damit auch sein, Verhalten ändern und ihn umerziehen.
Eine Kastration ist sinnvoll, wenn Ihr Rüde gesundheitliche Vorteile davon hat, also bei Vorhautausfluss, „Liebeskrankheit“, Prostata – oder Hodenveränderungen.
Eine Kastration selbst macht NICHT fett. Nach der Operation sollte Ihr Hund aber mit kalorienreduziertem Futter ernährt werden – Ihre Tierarztpraxis berät Sie gern!

Mit freundlicher Genehmigung:
© Copyright Dr. med. vet. Petra Sindern, Kleintierpraxis Neu Wulmstorf
Bahnhofstraße 66, (Post Seevering 23), D – 21629 Neu Wulmstorf, Homepage

Februar 2009

Die nicht-chirurgische Lösung

Es gibt eine sichere, sanfte und reversible Alternative zur chirurgischen Kastration. Dies ist eine vollkommen neue Möglichkeit, die Produktion der Geschlechtshormone zu unterbinden, ohne dass ein chirurgischer Eingriff notwendig ist.

Ihr Tierarzt setzt, ähnlich wie beim Mikrochip, ein etwa 2,3 x 12 mm großes Implantat zwischen die Schulterblätter. Nach der Implantation wird konstant ein Wirkstoff freigesetzt, der etwa 6 Monate lang verhindert, dass Botenstoffe produziert werden, die zur Entstehung von Testosteron und anderen Geschlechtshormonen notwendig sind. Somit sinken nach etwa 2 bis 3 Wochen diese Hormonwerte auf ein Basalniveau wie nach einer chirurgischen Kastration.

Bis der Rüde unfruchtbar ist, dauert es etwa 6 Wochen, da das bereits gebildete Sperma im Nebenhoden gespeichert wird und über diesen Zeitraum noch befruchtungsfähig ist.

So müssen sie keine endgültige Entscheidung treffen, sondern können in Ruhe überlegen, ob die Kastration ihres Hundes die richtige Lösung ihrer Probleme ist.

Entnommen aus Informationsschrift einer Tierarztpraxis
Elke Uhlemann